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Antihipster mit zwei Sternen

Von der Erfüllung das zu sein was man ist

 

Auf seinem Niveau sind die Dinge selbsterklärend. Es braucht keine Philosophie oder Strategie, nur Offenheit. Im Münchner Tantris treffe ich Hans Haas zum Gespräch – einer der weltbesten Köche und Meister seines Faches.

Manche Artikel schreiben sich wie von selbst. Vor allem dann, wenn ein Interviewpartner viel zu erzählen weiß, spannende Anekdoten zum Besten gibt und sich passende  Konstrukte zu seinem Lebenswerk aufgebaut hat. Das ist zwar nicht immer erfüllend, aber zumeist recht unterhaltsam und amüsant. Bei Hans Haas ist das anders. Als „Antihipster“ habe ich ihn in unserer Headline bezeichnet. Er ist die Ausnahme, die sich nicht mit Worten erfindet, oder produziert. Denn in seinem Lebenswerk steht eine andere Sache im Vordergrund: das Produkt. In klaren Worten sind das Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst und Kräuter.

Er ist mit diesen Produkten von Kindesbeinen an verhaftet.
Eine einzige lange Reise. Ein mäandern aus Begegnung, Erfahrung, einem Geschmack habhaft werden und der Offenheit, immer und immer aufs Neue, eine weitere Facette zu entdecken. Rückblickend ist es ein klarer und einfacher Weg.

Mal ist seine Kochkunst hip, mal innovativ, mal trendy, mal konservativ, mal von gestern. So bewertet eine rasende Medienlandschaft von außen das Können, während in diesem Universum, Hans Haas als Fixstern seiner Leidenschaft frönt. Denn egal wie Kritiker seine Kochkunst im Lauf der Jahrzehnte beurteilten, das einzigartige Qualitätsniveau, konnte bis dato niemand in Frage stellen. Neben seinen 2 Sternen im Guide Michelin (ununterbrochen seit 25 Jahren), erhielt Hans Haas 1999 den europäischen Kulturpreis. 1995 wurde er von Gault et Millau zum Koch des Jahres gewählt und 1987 belegte er den 3. Platz bei der BOCUSE D‘OR Kochweltmeisterschaft – bis zum heutigen Tag schnitt kein deutscher Koch besser ab.

„Im Moment scheint die Grundidee meines Kochens mal wieder im Trend zu liegen. Dabei habe ich nie etwas anderes gemacht“, erzählt Hans Haas.

Noch nie hatte er Lust auf „Filet – Kocherei“. Rinder und Schweine werden in Hälften geliefert und komplett verarbeitet. Alle seine Lieferanten kennt Hans Haas persönlich. Er sucht ausschließlich die hochwertigsten Rohprodukte und natürlich regional – wie denn sonst? Da muß er schon lachen. Er macht ja seit 30 Jahren nichts anderes.

Als Kind ist er in einfachsten Verhältnissen in den Kitzbüheler Alpen aufgewachsen. Er weiß noch wie echte Buttermilch schmeckt und ja, er sehnt sich danach. Eigentlich sollte man nämlich meinen, dass die Auswahl an guten Produkten einfacher geworden ist. Aber das stimmt nicht. Die Auswahl an Produkten ist größer, aber die Qualität schlechter geworden. „Heutzutage ist über all Bio, – über all muß Bio drauf stehen, aber ist das Produkt wirklich gut?“

Während wir erzählen sind wir von der Bar in die Küche geschlendert. Eine große Kiste Pfifferlinge steht auf der Anrichte und ein Jungkoch ist bereits fleißig am Putzen. Mit beiden Händen fährt Hans Haas in die Kiste und saugt den erdigen Geruch in die Nase. Er grinst als säße ihm ein Schalk im Nacken, für einen Moment scheint er mich direkt vergessen zu haben. Selig lässt er die goldbraunen Pilze einzeln zurück in die Kiste rieseln.

„Die sind hier aus den Wäldern, von Rentnern gesammelt, die sie dann bei mir abgeben.“

Im sprudelten Topf gegenüber entdecke ich tanzende, gebrauchte Weinkorken auf der Oberfläche eines undurchsichtigen Sudes. Hans Haas fährt mit einem langen Kochlöffelstil hinein und fischt einige Oktopusse hervor. Er erklärt, dass sich in den Korken Enzyme befinden, die die Tiere besonders zart werden lassen.

Seine Ausbildung zum Koch und Commis de cuisine absolvierte Hans Haas im Gasthof Kellerwirt, in seinem Heimatort in Wildschönau/Tirol. Danach ging es steil Berg auf. Ob als Chef de partie im Hotel Bachmaier in Weissach am Tegernsee, oder als Sous Chef in Eckart Witzigmanns berühmten, Münchner Aubergine. Noch heute schwärmt er von seiner Zeit in der Auberge de L‘ill, bei dem großen Maître Paul Häberlin.

Genau aus diesem Werdegang lässt sich die Handschrift von Hans Haas herauslesen. Es ist die Liebe und die Demut, vor dem einfachen und natürlichen Ausgangsprodukt, kombiniert mit dem großen Schatz an handwerklicher Raffinesse, wie sie die französische Küche hervorgebracht hat.

„Das Produkt steht im Vordergrund“ – bedeutet dabei eben nicht, dass es extrahiert und als Gelee wiedergeboren wird. Es geht um Respekt und Achtung, gegenüber dem Leben selbst.

Egal ob Mitarbeiter, Tier oder Pflanze. Alles hat seinen Platz und braucht seinen Raum. Jeder Gang besteht aus einer klaren Hauptzutat, die auch als solche deutlich zu erkennen ist. Die anderen Zutaten sollen diese Hauptzutat abrunden, verfeinern und komplexe Nuancen herauskitzeln, aber niemals konkurrieren.  Und dazu gehört, wie zuvor schon erwähnt, eben auch die komplette Verarbeitung eines Tieres, bis hin zur Verarbeitung der Karkassen, Gräten, Schädel und Knochen.

Aber keine Angst, noch werden keine Gräten zum Essen im Tantris serviert. Wir streifen dieses Thema nämlich nur zufällig. Auf meine Frage, wie er bei diesem enormen Arbeitspensum einen Ausgleich, eine Energiequelle findet, antwortet Hans Haas mit einem Wort: Kunst. Schon lange haben Ihn die abgekochten Schädel und Fischgerippe fasziniert und weil die Steinbuttkarkassen gar so schön waren, hat Hans Haas sie zunächst einmal einfach abgekocht. Irgendwann war dann klar, dass er daraus Skulpturen formen möchte. Es ist das letzte Kapitel zum Thema ganzheitliche Verarbeitung von Produkten und Nachhaltigkeit.
Als kreative Auseinandersetzung und inspirierendem Ruhepol, sind die künstlerischen Arbeiten in seinem heimischen Kellerraum, aber auch immer wieder Anfang und Ausgangspunkt, um mit voller Kraft und Vitalität, seine tägliche Leistung zu bringen.

Vielleicht habe ich damit ein stückweit das Geheimnis seiner konstanten Qualität entdeckt: Hans Hans ist im Fluss; mit sich selbst, seiner Tätigkeit und seinem Umfeld. Daher könnte die Überschrift lauten: von der Erfüllung das zu sein, was man ist …

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